vom 26.01.2011 – Mobbing-Zentrale
13-Jähriger Kärntner nahm sich vergangenen Mai das Leben, weil er bei Facebook gemobbt wurde. Seine Mutter schildert nun die Umstände der Tragödie und will aufrütteln.
Joel wurde nur 13 Jahre alt
Joel legt sich auf die Bahngleise. Eigentlich wollte er mit Freunden zum GTI-Treffen. Das Rattern des Zuges wird lauter. Joel entschließt sich, liegen zu bleiben. Zu schwer ist das Leben für ihn geworden. Joel hat gerade erst seinen 13. Geburtstag gefeiert. Auf der Suche nach dem Warum offenbart sich ein erschreckender Trend.
Schikaniert und erniedrigt
Warum hat sich mein Kind entschieden, seine Probleme durch den eigenen Tod zu lösen? Was war für Joel so schlimm, dass er es nicht mehr verkraften konnte? Seit jenem 14. Mai 2010 sucht die sechsfache Mutter Michaela H. nach einer Antwort. Und findet Unfassbares heraus: Wochenlang wurde Joel in der Schule und im Internet schikaniert, erniedrigt, beleidigt. „Ich wusste, dass er wegen seiner paar Kilos zu viel gehänselt wurde oder wegen seiner Kleidung. Er wollte immer Hilfiger haben, aber ich hatte dafür kein Geld“, sagt sie und macht sich Vorwürfe. „Ich habe unterschätzt, wie wichtig ihm Designer-Kleidung ist.“ Seine schulischen Leistungen ließen nach. „Ich habe mir gedacht, das ist eine normale Null-Bock-Phase, dass er seelisch zerbricht, war mir nicht bewusst.“ Über das Mobbing an der Schule hat Joel nicht viel geredet. „Ich habe ihm einmal gesagt, nimm deine vier älteren Brüder mit in die Schule. Er hat nur gesagt: ,Mama, Gewalt ist keine Lösung‘. Er wollte immer nur Frieden.“
Am 14. Mai wollte Joel mit seinem besten Freund zum GTI-Treffen. Vorher besuchten sie noch Joels „Facebook“-Seite. Dort sahen sie, dass einer von Joels vermeintlichen „Freunden“ einen Link mit einer pornografischen Seite gepostet hat. Darin wird der 13-Jährige als homosexuell dargestellt – mit Bild. „Joel war laut seinem Freund total schockiert. Er sagte, dass sie jetzt nicht nur über ihn lachen, sondern ihn jetzt auch noch als schwul abstempeln.“ Er lief aus dem Haus – direkt zu den Gleisen. Sein Freund konnte ihn nicht mehr einholen.
„Nicht totschweigen“
„Ich verstehe nicht, warum das niemanden interessiert! Mein Kind wurde im Internet in den Tod getrieben. Ein Klick hat genügt“, sagt Michaela H. „Das sollte man nicht totschweigen. Joel wollte mit seinem Tod aufzeigen, was ihm angetan wurde.“ Michaela H. möchte andere Eltern wachrütteln: „Man sollte schauen, was die Kinder im Internet machen, was sie in ihr Profil schreiben, welche Spiele sie spielen. Ich habe das leider völlig unterschätzt, Joel ist ja stundenlang vor dem Computer gesessen. Mir waren auch die Gefahren nicht bewusst.“
Wer für die Porno-Seite bei Facebook verantwortlich ist, ist nicht mehr zu ermitteln, da der Vater alle Spuren Joels im Internet gelöscht hat. Die Porno-Seite, die Joels Namen trägt, ist weiterhin online. Joels bester Freund hat mittlerweile die Schule gewechselt.
„Täter“ bleibt ungestraft
Laut Staatsanwalt Helmut Jamnig wurde in diesem Fall routinemäßig ermittelt. Das Verfahren wurde nach wenigen Tagen eingestellt. Es konnte kein Fremdverschulden festgestellt werden. Grundsätzlich, so Jamnig, muss ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegen, damit die Staatsanwaltschaft aktiv wird. „Bei Cyber-Mobbing ist das ein Problem“, sagt Jamnig. Möglich wären etwa die Delikte „Beharrliche Verfolgung“ oder „Gefährliche Drohung“. Eine Bloßstellung wäre möglicherweise privatanklagefähig.
Für Schule ein Tabuthema
Joels Mutter ist über die Reaktion der Schule, es handelt sich um ein Klagenfurter Gymnasium, betroffen. So wurde etwa im Religionsunterricht Joels Selbstmord auf familiäre Probleme zurückgeführt. „Natürlich gibt es, wie in jeder Familie, Probleme. Aber das Verhältnis von Joel zu uns Eltern, war immer gut“, sagt die Mutter. Dass er über Wochen von Schulkameraden gemobbt wurde, will man in der Schule nicht wahrhaben.
CLAUDIA BEER-ODEBRECHT
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/kaernten/2657758/internet-trieb-joel-den-tod.story
Unser Kommentar:
Joel ist kein Einzelfall. Die Medien greifen diese Todesfälle zunehmend auf. Der Vorwurf schwul zu sein, treibt viele junge Männer und jugendliche zum Selbstmord. Schwul-sein ist noch immer eine Beschipfung. Das zeigt, wie weit wir von Toleranz entfernt sind.
Da mag es einen schwulen Ole von Beust geben, einen schwulen Bürgermeister in unserer Hauptstadt und einen mit einem Schwulen verheirateten Außenminister und sie alle zeigen sich in der Öffentlichkeit und stehen zu ihrer Homosexualität.
Bei unseren Kindern und Jugendlichen jedoch ist diese Botschaft noch nicht angekommen. Solange Homosexuelle nicht in Schulen gehen, den Kindern zeigen, wie schwer ihr Leben in der Pubertät war, wie sehr sie darunter gelitten haben, anders zu sein, wird sich an unseren Schulen nichts ändern. Schwul-sein gilt als Makel. Der Verdacht schwul zu sein, wird als Trauma erlebt und mancher überlebt es nicht.
Es gibt auch keine Untersuchung, wie hoch der Anteil bei Suiziden ist. Homosexualität ist noch immer ein Tabu-Thema.
Statt im Bio-Unterricht die Bienchen und Blümchen zu untersuchen und zu lernen, wieviel Blütenblätter eine Blume hat, wäre hier mal die Funktion des Menschen mit seinen Gefühlen, Ängsten und Traumata angesagt.
Ökologie-Unterricht, ganzheitliche Betrachtungen, die die Seele einschließen könnte hier ein Umdenken bei Kindern und Jugendlichen bewirken.